Neben den Präsidenten der beiden Kreisverbände, weiteren Präsidiumsmitgliedern und zahlreichen DRK-Kameradinnen und Kameraden zollte auch Kirchheims Bürgermeisterin Christine Kullen durch ihre Anwesenheit den Einsatzkräften Respekt.
„Ihr könnt versichert sein, dass wir Euch nicht vergessen haben,“ begrüßten die Präsidenten Simon Blessing (DRK-Kreisverband Nürtingen-Kirchheim/Teck) und Jürgen Holzwarth (DRK-Kreisverband Esslingen) die Helferinnen und Helfer. Coronabedingt und wegen des hohen DRK-Engagements in der Betreuung ukrainischer Flüchtlinge musste die Ehrungsveranstaltung immer wieder verschoben werden und konnte erst jetzt gebührend nachgeholt werden. Dem Anlass entsprechend fand die Helferauszeichnung im DRK-Katastrophenschutz-Lager in Kirchheim/Teck statt, ein gut gewählter Ort für die Ehrung: Auf dem Hohenreisach sind die Materialvorhaltung und die großen Logistikfahrzeuge für den Katastrophen- und Bevölkerungsschutz des DRK-Landesverbandes Baden-Württemberg untergebracht. In dessen Auftrag haben die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer der beiden DRK-Kreisverbände als Teil des Baden-Württembergischen Hilfskontingents einen wichtigen Beitrag geleistet, um Flutopfer zu retten und den betroffenen Menschen bei der Bekämpfung der verheerenden Folgen schnell und zielgerichtet zu helfen.
Neben schätzungsweise 100.000 freiwillig engagierten Menschen waren es vor allen Dingen die professionellen Einsatzkräfte der Hilfsorganisationen, die den größten und längsten Rettungseinsatz in der deutschen Geschichte fuhren. Zu Spitzenzeiten waren im Ahrtal bis zu 3.500 DRK-Helferinnen und -Helfer aus dem gesamten Bundesgebiet im Einsatz mit gut 90.000 ehrenamtlich geleisteten Einsatzkräftetage. Die 33 Helferinnen und Helfer aus dem DRK-Kreisverband Nürtingen-Kirchheim/Teck und ihre 34 Kameradinnen und Kameraden aus dem DRK-Kreisverband Esslingen kommen in Summe auf über 17.000 Stunden Einsatz.
„Ihr habt außergewöhnliche Hilfe geleistet und Solidarität gezeigt. Das sind große Taten der Mitmenschlichkeit“, lobte DRK-Präsident Simon Blessing seine Kameradinnen und Kameraden und unterstrich dies sehr anschaulich mit Zitaten aus persönlichen Einsatzberichten mehrerer Ahrtalhelfer. DRK-Präsident Jürgen Holzwarth berichtete ergänzend, dass schon beim ersten baden-württembergischen Helferkontigent 2 Einsatzkräfte aus Bernhausen mit dabei waren. „Dies unterstreicht eindrücklich die hohe Hilfs- und Einsatzbereitschaft der DRK-Aktiven im Landkreis Esslingen“, sagte der Esslinger Kreisverbandspräsident mit Stolz auf seine Mannschaft.
Persönliche Eindrücke und Erlebnisse bleiben und sind auch zwei Jahre nach der Flutkatastrophe genauso präsent wie in den Tagen der Flut. Es sind Geschichten von Menschen, die wirklich alles an Hab und Gut, einschließlich ihres Hauses, verloren haben und trotzdem nicht verzweifeln, nicht aufgeben, wieder anpacken und nach vorne blicken, so unendlich schwer dies oft fallen mag. Und es sind Geschichten von menschlichen Begegnungen und logistischen Herausforderungen - wie das Errichten und der Betrieb einer Verpflegungsstelle für 10.000 Menschen oder der Wiederaufbau der Stromversorgung - die unvergessen bleiben. Manchmal sind es aber gerade die kleinen Gesten, die berühren, wie das von einer Ahrbewohnerin auf einen Zettel geschriebene und einem der DRK-Helfer durchs offene Autofenster gereichte Dankeschön: „Weil Engel nicht überall sein können, gibt es Engel wie Euch. Danke für Eure wunderbare Hilfe.“
Bei Großeinsätzen wie im Ahrtal zeigt sich die hohe Bedeutung, die das Ehrenamt für unsere Gesellschaft hat. Dass dies so bleibt, ist Simon Blessing ein besonderes Anliegen. „Der Katastrophen- und Bevölkerungsschutz darf nicht nur in Krisenzeiten, und wenn die Katastrophe schon eingetreten ist, ernst genommen werden“, appellierte der Kreisverbandspräsident an die politisch Verantwortlichen auf allen Ebenen. „Vielmehr braucht es eine kontinuierlich gute materielle Ausstattung und gute Rahmenbedingungen für eine qualifizierte Ausbildung der Helferinnen und Helfer. Jeder Einzelne muss stellvertretend für ein funktionierendes Katastrophenschutzwesen stehen und kompetent sein, auch in überörtlich herausfordernden Lagen zu helfen“.
Allen 67 DRK- Helferinnen und Helfern aus dem Landkreis Esslingen überreichte Landrat Heinz Eininger für ihren wochenlangen Einsatz als besonderes Zeichen der Wertschätzung und Anerkennung und in dankbarer Würdigung ihres außergewöhnlichen Engagements im Ahrtal die DRK-Bandschnalle mit Dankesurkunde. Dem Landrat war es ein großes Anliegen, sich bei den Einsatzkräften persönlich und im Namen des Landkreises für deren sinnstiftende Ehrenamtsarbeit zu bedanken. „17.000 Helferstunden entsprechen 10 „Mannjahre“ Arbeitszeit“, rechnete er anschaulich vor, „eine stolze Bilanz, die von hoher Verlässlichkeit zeugt“. Eininger ist sich sicher, dass wir uns auf immer epochalere Katastrophen einstellen müssen. „Ereignisse wie die Flutkatastrophe im Ahrtal müssen wachrütteln, damit Lehren daraus gezogen und vorhandene Einsatz- und Alarmierungspläne angepasst und optimiert werden können. Dies gilt in gleichem Maße für den Klimawandel, bei Pandemien und in der Flüchtlingsarbeit“.
Beim anschließenden Helferfest wurde noch lange auf einen für alle Beteiligten besonderen und außergewöhnlichen Fluteinsatz zurückgeblickt. Alle sind sich einig: „Wir sind wieder dabei, wann man uns braucht.“
Wenn die Katastrophe zur schwer begreifenden Wirklichkeit wird – Eindrücke und Erlebnisse aus dem Fluteinsatz 2021 im Ahrtal:
„Wofür noch leben, wenn nichts mehr ist, wie es war?“ Die Worte eines Mannes aus einer besonders stark betroffenen Gemeinde lassen die Verzweiflung erahnen, die die Flut in der Nacht vom 14. auf 15. Juli 2021 zu den Menschen ins Ahrtal spülte. Nichts ist mehr, wie es war, gilt besonders für die, die alles verloren haben: Ihre Häuser, ihren Besitz, Ihre Zukunftspläne, Ihre Träume, Ihre Erinnerungen. Die Bilder der Zerstörung, der Verzweiflung, des Leids; diese Bilder haben uns alle erschüttert. Es sind Geschichten und Aktionen, die den Betroffenen im Ahrtal wieder Mut machten und die Energie geben, ihre Heimat wieder aufblühen zu lassen! Persönliche Eindrücke und Erlebnisse bleiben und sind auch zwei Jahre nach der Flutkatastrophe noch genauso präsent wie in den Tagen der Flut. Sie zeugen von großer Hilfsbereitschaft und machen zurecht stolz auf das Geleistete. Die nachfolgenden persönlichen Erlebnisse stammen alle von Helferinnen und Helfern des DRK-Kreisverbandes Nürtingen-Kirchheim/Teck, könnten aber ebenso aus Esslingen oder jedem anderen DRK-Kreisverband kommen: „Die Bilder in der Presse konnten kaum abbilden, was in den Ortschaften über die Strecke abgegangen ist“, schüttelt Christoph Schmid noch immer den Kopf, wenn er an seinen Ahrtaleinsatz zurückdenkt. Massive Brückenpfeiler, Häuser, Autos – einfach weggerissen und fortgespült. Bedrückender für ihn und seine Kameradinnen und Kameraden waren die Geschichten, die er von den Betroffenen hörte. „Eine Familie hat stundenlang auf dem Dach ihres Hauses ausgeharrt, ohne zu wissen, ob das Wasser weiter steigt und das Haus standhält.“ „Wenn es regnete, fingen die Leute an zu heulen“, erzählt Willi Stutz, der als Feldkoch und Versorgungsfahrer im Ahrtal geholfen hat. Geschichten, an denen wir „manchmal schon ein bisschen zu beißen hatten“, gibt er zu. Gut war, dass man abends mit den Kameraden zusammensitzen, reden und das Erlebte verarbeiten konnte. Manches hat man auch mitheimgenommen, sagt er: „Man sieht heute vieles mit anderen Augen.“ Wenn Timo Ohl aus der Bereitschaft Neckartenzlingen von seinem Einsatz berichtet, sieht man ihm auch heute noch an, dass ihn dieser Einsatz persönlich berührt hat und er das Erlebte sicher sein Leben lang nicht vergessen wird. „Ich habe Menschen getroffen, die wirklich alles an Hab und Gut, einschließlich ihres Hauses verloren haben und trotzdem nicht verzweifeln“, sagt er sichtlich gerührt. „Sie geben die Hoffnung nicht auf und sind dankbar, dass Sie mit dem Leben davongekommen sind. In der größten Not ist es für viele Menschen besonders wichtig, dass man ihnen einfach nur zuhört.“ Er ist tief beeindruckt und froh darüber, dass er mit seinem Einsatz einen ganz persönlichen Hilfebeitrag leisten konnte. „Man wird wieder ein großes Stück demütiger“, sagt er.“ Ähnlich wie Ohl ergeht es den acht Einsatzkräften, die als Teil der „Verpflegungsstelle 10.000“ eine Woche lang mit anpackten, um den Betroffenen zu helfen und deren Versorgung und die der vielen Einsatzkräfte sicherzustellen. Johannes Colshorn ist einer von ihnen. Er gehörte zu den gefragtesten Einsatzkräften, denn er ist einer von den rar gesäten Feldköchen, die es beim Roten Kreuz gibt. In 13 Feldküchen versorgten die Koch-Teams in der Hochphase die Menschen und die Helferinnen und Helfer in der Region mit bis zu 13.000 Portionen Essen am Tag. 500 bis 600 Essen schickte man pro Schicht raus. Zentnerweise Nudeln, Kartoffeln und Gemüse wurden pro Tag verarbeitet – schier unvorstellbare Mengen. „Rund 100 Gasflaschen haben die Feldküchen am Tag verbraucht“, erinnert sich der Feldkoch. Die Menüs planen? Funktionierte oft nicht. „Wir mussten immer schauen, was an Spenden gekommen ist, und was verarbeitet werden muss, damit es nicht verdirbt“, blickt er auf die tägliche Improvisationsnotwendigkeit zurück. Nachts um 2 Uhr ging es los für die Helfer, damit die Essen in so genannten Thermophoren pünktlich rausgingen. Lara Prugger war als Fahrerin dafür zuständig, mit Sprintern und Mannschaftstransportern die Rationen an die rund 40 Ausgabestellen im Katastrophengebiet zu verteilten. „Dazu mussten täglich tausende von Lunchpaketen für das Frühstück und das Abendbrot zusammengestellt werden.“ Dass die Transportlogistik angesichts der unwirklichen Trümmerlandschaft immer wieder eine große Herausforderung war, davon weiß auch Roman Suckfüll zu berichten. „Wie im Krieg“, schüttelt der Fahrer und erfahrene Rotkreuzler den Kopf. Vom Stützpunkt in Koblenz aus hat er mit seinen Kameradinnen und Kameraden Aggregate und Stromgeneratoren mit Diesel versorgt. Mit einem hochmodernen Unimog, bestückt mit einem 1.000 Liter-Tank , mussten meterhohe Schutthalden entlang der Straßen, weggerissene Brücken und zerstörte Straßen passiert oder umfahren werden. Für Strecken von fünf Kilometern brauchten die Fahrer manchmal zwei Stunden. Mitunter ging es nur auf Schleichwegen zu den Stationen. Die vielen Helferinnen und Helfer im Einsatz, in der Essensversorgung, als Fahrer und in der Verwaltung mussten nicht nur verpflegt werden, sondern brauchten auch ein Bett für die Nacht. Jannik Jahn von der Rettungshundestaffel hat bei seinem Hochwassereinsatz in der Region zusammen mit Bastian Sturm im Stab mitgearbeitet und dafür gesorgt, dass jeder ein Bett für die Nacht bekommen hat. |
Viele Helfer reisten sogar mehrfach ins Ahrtal. So auch Torsten Stutz von der DRK-Bereitschaft Wendlingen. Insgesamt 5-mal war er im Einsatz. Als Elektriker betreute er die zahlreichen Notstromaggregate, die Tag und Nacht im Tal brummten, um die zerstörten Stromleitungen zu kompensieren. Versorgt wurden auch besonders hart getroffene Häuserzeilen. „Oft lag der Strom schon im Haus, aber die Leute kriegten keine Handwerker für die weiteren Anschlussarbeiten“, berichtet er. „Wenn ein Lichtmast ausgefallen ist, war es stockdunkel. Kaum Licht aus den Häusern, keine Straßenlaternen. Einfach Spucky“, erinnert sich Stutz. Besonders betroffen vom Hochwasser waren die Kinder. Die Helfer vom DRK versuchten, mit kleinen Aufmerksamkeiten etwas Freude zu bereiten. Der Kirchheimer Hersteller Rübezahl stiftete Schoko-Nikoläuse und Adventskalender. Die brachte Christoph Schmid zusammen mit anderen Helfern zu den Kindern der Kindertagesstätte St. Franziskus in Schlund. Die Freude und das Lachen, die die süße Überraschung auslösten, haben die Helferinnen und Helfer sehr bewegt. Überhaupt war die Dankbarkeit, die den Helfern des Roten Kreuzes von der Bevölkerung entgegenschlug, ungeheuer groß und für die Einsatzkräfte Motivation und Ansporn zugleich für die anstehende Mammutaufgabe. Wie die Genannten könnten wohl Alle, die an der Ahr dabei waren, ihre und seine ganz persönliche Geschichte erzählen. Allen Geschichten gemeinsam ist, dass die Menschen in den Stunden der Not zusammenhalten, teilweise über sich hinauswachsen und selbstlos helfen, dort wo Hilfe notwendig ist. |