(Nicole Mohn) Weihnachten ist die Zeit der Lichter. Im Ahrtal leuchten die in diesem Jahr nicht besonders hell. Nach wie vor ist die Region immens gezeichnet von der Hochwasserkatastrophe. Helfer des Deutschen Roten Kreuzes unterstützen die Betroffenen beim Wiederaufbau. Darunter auch Mitglieder aus dem DRK-Kreisverband Nürtingen-Kirchheim/Teck. Rund 70 Kilometer lang und bis zu 500 Meter breit ist der Streifen der Verwüstung, der sich durch das Ahrtal zieht. „Die Bilder in der Presse können kaum abbilden, was in den Ortschaften über die Strecke abgegangen ist“, schüttelt Christoph Schmid vom Kreisverband noch immer den Kopf über das Gesehene. Massive Brückenpfeiler, Häuser, Autos – einfach weggerissen und fortgespült. Bedrückender aber sind die Geschichten, die sie bei ihren Besuchen von den Betroffenen hören. Eine Familie hat stundenlang auf dem Dach ihres Hauses ausgeharrt. „Ohne zu wissen, ob das Wasser weiter steigt und das Haus standhält“, erzählt Schmid. Wie tief das Erlebte bei den Menschen aus Schuld, Maischoß oder Ahrweiler sitzt, können die Helfer vom DRK Nürtingen-Kirchheim mitunter nur ahnen. „Wenn es regnet, fangen die Leute an zu heulen“, erzählt Willi Stutz, der als Feldkoch und Versorgungsfahrer im Ahrtal geholfen hat. Geschichten, an denen sie „manchmal ein bisschen zu beißen haben“, gibt er zu. Gut sei es da, dass man abends mit den Kameraden zusammensitzen und reden kann. Manches nehme man auch mit heim, sagt Willi Stutz: „Man sieht es mit anderen Augen.“ Nochmal hin und wieder helfen, wo es nur geht. Das ist für alle, die vom DRK Nürtingen-Kirchheim/Teck in diesem Jahr im Katastrophengebiet mitanpackten ein Herzensanliegen. Viele der Helfer reisten mehrfach ins Ahrtal – und wollen auch über die Festtage und den Jahreswechsel noch einmal helfen. So auch Torsten Stutz von der DRK-Bereitschaft Wendlingen. Ende November kehrte der Elektriker von seinem jüngsten Einsatz aus dem Ahrtal zurück. Viermal war er seit Juli bereits oben, Einsatz 5 startet Anfang Januar zur Übergabe der Anlagen an örtliche Handwerker. Als Elektriker betreut er die zahlreichen Notstromaggregate, die Tag und Nacht im Tal brummen, um die zerstörten Stromleitungen zu kompensieren. Versorgt werden noch ein paar besonders hart getroffene Häuserzeilen. „Oft liegt der Strom zwar schon im Haus, aber die Leute kriegen keine Handwerker für die weiteren Anschlussarbeiten“, berichtet er. Zusätzlichen Strom liefern die Aggregate vor allem für die unzähligen Bautrockner, die gegen die Nässe im Mauerwerk und das nasskalte Wetter anbrummen. In Bad Neuenahr oder Ahrweiler sind meist die Erdgeschosse betroffen, in anderen Ortschaften selbst das obere Stockwerk. Hier zu wohnen ist für viele Betroffene unmöglich. In Altenahr hängt auch das Feuerwehrmagazin nach wie vor am Notstrom. Und dazu sorgen zahlreiche Lichtmasten für etwas Sicherheit in der Nacht. Nach Monaten im Dauerbetrieb komme es da immer wieder zu Ausfällen, berichtet er. „Wenn dann so ein Lichtmast ausfällt, ist es stockdunkel.“ Kaum Licht aus den Häusern, keine Straßenlaternen. „Spucky“, meint Stutz. Von Normalität sind die Ortschaften entlang der Ahr also noch weit entfernt. Straßen, Gasversorgung, Stromleitungen, alles hat das Hochwasser mitgerissen und zerstört. Um für den Winter gerüstet zu sein, haben sich viele Hausbesitzer nun Flüssiggas-Tanks vors Haus gestellt, um wenigstens heizen zu können.
Die Helfer vom DRK versuchen, mit kleinen Aufmerksamkeiten etwas Freude zu machen. Der Kirchheimer Hersteller Rübezahl stiftete Schoko-Nikoläuse und Adventskalender. Die brachte Christoph Schmid vom DRK Kreisverband Nürtingen-Kirchheim zusammen mit anderen Helfern bei seinem jüngsten Einsatz zu den Kindern der Kindertagesstätte St. Franziskus in Schuld. Die Freude und das Lachen, die die süße Überraschung auslösten, haben ihn sehr bewegt. Ohnehin ist die Dankbarkeit, die den Helfern des Roten Kreuzes entgegen schlägt, ungeheuer groß. Eine wildfremde Frau hat ihnen eine kleine Tüte durchs Autofenster zugesteckt. Darin ein handgestricktes Engelsöckchen mit der Widmung: „Weil Engel nicht überall sein können, gibt es Engel wie dich. Danke für deine „wunderb’Ahr‘e Hilfe.“ Beineindruckt zeigen sich alle Einsatzkräfte vom DRK Nürtingen-Kirchheim, wie gefasst die meisten Menschen sind. „Sie schauen nach vorn“, zollt Torsten Stutz der Haltung Respekt. Um wenigstens ein bisschen „Normalität“ zu simulieren, steht vor vielen Häusern ein Weihnachtsbaum. An Brückengeländer flattern bunte Bänder und mit selbstgemachten Bannern sprechen sich die Ahrtaler Mut zu und sagen Danke an die Helfer. Enttäuscht sind die Betroffenen hingegen von der Politik. Nach den Reden im Wahlkampf ist von der Hilfe nicht allzu viel in der Region angekommen. Das haben Torsten Stutz und sein Vater Willi sowie auch Christoph Schmid immer wieder in den Gesprächen gehört. Umso wichtiger ist der Einsatz des DRK vor Ort. Der läuft noch bis Ende des Jahres. Erste Aufgaben wie die Betankung der Diesel-Notstrom-Aggregate sind bereits an private Anbieter abgegeben worden. Die Helfer sehen das Ende mit etwas skeptischem Blick. „Die harte Zeit kommt erst für die Leute“, befürchtet Willi Stutz, für den Rückzug des Bundesverbandes aus der Einsatzlogistik könnte es noch zu früh sein.