(Thomas Krytzner) Als eine der ersten Frauen im Rettungsdienst des DRK Esslingen-Nürtingen, begann Dorothee Albicker vor 41 Jahren ihre Karriere als Lebensretterin. Dabei wäre es fast gar nicht so weit gekommen. Sie erinnert sich: „Als mein Mann und ich vor über 40 Jahren von Konstanz nach Esslingen umzogen, suchte ich einen Job. Meine Mutter arbeitete damals auf der Geschäftsstelle des DRK und schrieb mir, dass es auf der Leitstelle eine freie Stelle gebe.“ Dorothee Albicker bewarb sich umgehend auf den freien Posten und plötzlich plagten die Mutter Gewissensbisse. „Da könnten ja einige Vetternwirtschaft vermuten.“ Doch Dorothee Albicker setzte sich erfolgreich durch und bald schon nahm sie in der Esslinger DRK-Leitstelle als Telefonistin Notrufe entgegen. „Zu Beginn arbeitete ich täglich von halb acht bis halb fünf abends. Später wechselte ich in die Schichtarbeit. Dazu musste ich die Fachdienstausbildung zur Rettungssanitäterin absolvieren.“ Vor der ersten Nachtschicht hatte sie Bammel: „Ich befürchtete dabei einzuschlafen, weil ich allein auf der Leitstelle war.“ Gerne wäre sie häufiger im Rettungswagen mitgefahren. „Aber wir Frauen durften damals nicht mehr als 35 Kilogramm heben“, erinnert sie sich. Später war sie zwar bei Rettungseinsätzen dabei, konzentrierte sich im Lauf der Zeit aber auf Krankentransporte. An die Zeit auf der Leitstelle erinnert sie sich genau: „Wir haben noch mit Stift, Karten und Papier die Funklisten ausgefüllt, wenn Notrufe am Telefon eingingen.“ Als die Technik sich weiterentwickelte und die ersten Computer auf den Leitstellen eingesetzt werden sollten, ging Dorothee Albicker samt ihren Kollegen auf die Barrikade: „Wir haben uns gegen die Bildschirme gewehrt, weil wir dem neumodischen Zeugs nicht trauten. Unsere handschriftlichen Funklisten haben wir bis zuletzt verteidigt.“ Doch die Technik ließ sich nicht aufhalten. „Esslingen war die erste computerunterstützte Leitstelle weit und breit“, bestätigt Michael Wucherer, Rettungsdienstleiter beim DRK-Rettungsdienst Esslingen-Nürtingen. An einen Einsatz auf der Autobahn A8 erinnert sich Dorothee Albicker mit Schaudern: „Damals war die Gurtpflicht auf den Rücksitzen noch nicht eingeführt und bei einem schweren Verkehrsunfall kam ein fünfjähriges Mädchen auf schreckliche Weise ums Leben.“ Solche Bilder vergisst man nie wieder, ergänzt sie kopfschüttelnd. Langweilig wurde es indes auf der Leitstelle nie. Da auf den wichtigen Verbindungsstraßen die Kilometerangaben noch fehlten, begann bei einem Unfall, den vorbeifahrende Autofahrer meldeten, jeweils das große Raten um den Einsatzort. „Durch geschickte Fragen versuchten wir den Unfallort rauszufinden. Die Anrufer mussten uns beschreiben, was sie links und rechts der Straße in der Umgebung des Unfalls gesehen hatten.“ Seit einem Jahr ist Dorothee Albicker in Rente. Dem Rettungsdienst dreht sie aber den Rücken noch längst nicht zu. „Ich könnte mir ein Leben ohne die Leitstelle gar nicht vorstellen. Solange ich es kann, helfe ich dort aus, auch wenn ich mich inzwischen mit der neusten technischen Errungenschaft vertraut machen musste.“ Bernhard Kazmaier aus Unterlenningen begann seinen Dienst als Rotkreuzler vor 52 Jahren. Da er zu der Zeit noch nicht verheiratet war, durfte er nur als Tagesfahrer arbeiten. Er erklärt die kuriose Regelung: „Damals gingen die Notrufe in der Nacht per Telefon nach Hause. Damit im Notfall jederzeit jemand erreichbar war, mussten Rotkreuzfahrer verheiratet sein.“ Er erinnert sich an die späteren Einsätze im Rettungsdienst: „Bis 1975 konnten wir Patienten am Einsatzort aus Platzmangel im Fahrzeug nicht erstversorgen. Da hieß es hinfahren, einladen und schnellstmöglich ab ins nächste Krankenhaus.“ Erst als die Rettungswagen größer wurden, konnten erste Maßnahmen schon im Auto ergriffen werden. Bernhard Kazmaier bleibt dem Rettungsdienst auch nach der Rente treu: „Ich bin Kassier und stellvertretender Bereitschaftsleiter der DRK Bereitschaft Lenninger Tal. Zudem kümmere ich mich um die Haustechnik im Katastrophenschutzzentrum in Owen.“ Beim ehemaligen Rettungssanitäter Kurt Muckenfuss aus Neuffen hinterließen die 45 Jahre im Rettungsdienst bleibende Erinnerungen – nicht nur gute. „Es gibt Dinge, die muss man nicht sehen. Selbst alten Hasen wie mir passiert es, dass mich Erlebnisse von Einsatzorten noch lange Zeit beschäftigten.“ Durch seine langjährige Erfahrung ist er überzeugt, dass man sich als Lebensretter eine Strategie zurechtlegen sollte, um abschalten und vergessen zu können. Den jungen Rettungskräften empfiehlt er: „Wer am Einsatzort etwas nicht verträgt, soll wegbleiben und nicht hinschauen, sofern möglich.“ Kurt Muckenfuss ist trotz des bereits erreichten Rentenalters weiterhin einen Tag pro Woche für das Rote Kreuz im Einsatz. Bei den Lebensrettern war an ein geregeltes Familienleben kaum zu denken, wie Bernhard „Kazi“ Kazmaier betont: „Ohne den Rückhalt der Ehepartner und Kinder wäre die Arbeit im Rettungsdienst kaum möglich gewesen.“ Auch wenn alle drei Rotkreuzler im Lauf ihres Dienstes viel Leid und oft schier unerträgliche Bilder gesehen haben, sind sie sich einig: „Wir würden den genau gleichen Weg sofort wieder gehen.